Wer hätte das gedacht? Nach E-Castings, gibt es nun sogenannte Online-Castings.

Noch vor wenigen Jahren war ich mal dabei, als sich eine Schauspielerin bei einem Casting lautstark beschwert hat, dass die Castingsituation gefilmt wurde und die entscheidenden Personen es nicht für nötig hielten, selbst Vorort zu sein. Denn normalerweise wird nicht einfach nur Vorgespielt, sondern es findet ein Dialog statt. Evtl. bekommt man noch eine neue Regieanweisung, schneller, lauter, oder soll es mal ganz anders spielen, trauriger, frecher, stärker…. Nur so lässt sich herausfinden, ob die gewünschte Figur in dem Schauspieler steckt, oder nicht.

Dann kamen E-Castings. Einseitiger kann Kommunikation nicht sein. Eine Einbahnstraße, die den Schauspielern sehr viel mehr abverlangt, als nur gut zu spielen. Es wird die Organisation einer geeigneten Räumlichkeit erwartet, ein Spielpartner muss her, am besten noch ein Regisseur, der auch bezahlt werden will, eine Kamera, jemand der sie bedient, ein schnittfähiger PC und auch jemand, der sich mit der Postproduktion auskennt. Denn wehe, das Format lässt sich hinterher nicht abspielen oder ist zu groß für den Upload. 1000 Probleme die mit dem eigentlichen Job des Schauspielens rein gar nichts zu tun haben.

Gerne wird dann behauptet: So aufwändig ist das doch nicht: „Frag einfach deinen Mitbewohner, der macht das bestimmt für lau.“ Ist klar. „Und bitte nicht schneiden“. Ach ne! Auch ein ungeschnittener Take muss aber in ein abspielbares Format umgewandelt werden. Und den lustigen Kommentar von dem netten Postboten, der für nen Tenner die Kamera gehalten hat, den möchte man dann doch wegschneiden.

Und ist dann die ganze Arbeit getan, der Text gelernt, die Rolle vorbereitet, die Szene geprobt, gefilmt, komprimiert und hochgeladen, dann kommt das beste:

Nichts.

Einfach nichts.

Wenn man Glück hat, kommt irgendwann eine Zu- oder Absage. Aber eine Rückmeldung, ein Feedback aus dem man lernen kann, gibt es nie. Man lernt auch niemanden kennen, macht sich kein Bild vom Arbeitgeber, von der Arbeitsatmosphäre, die bei dem Projekt dann herrschen wird.

Das traurigste ist jedoch, wenn das E-Castingvideo erst gar nicht angesehen wurde. Dann war nämlich alles umsonst. Aus diesem Grund, war ich nie ein Freund von E-Castings.

Nun hat sich die Situation wieder verändert. Aus E-Castings sind nun Online-Castings geworden. Hierbei wird in Echtzeit online gespielt und das ganze entweder live beobachtet, oder aufgezeichnet. Die Schauspieler sitzen also jeweils irgendwo zu Hause und haben hoffentlich eine latenzfreie Übertragung und natürlich eine gute Beleuchtung für die Webcam. In Zeiten von Corona ist das sicherlich eine gute Notlösung.

Auf Dauer wünsche ich mir aber, dass es wieder echte Castings gibt. bei denen ich echte Menschen kennenlerne und erfahre, wer die Rolle überhaupt besetzt. Eine Rückmeldung ist sehr wichtig. Bei echten Castings weiß ich hinterher immer, woran ich bin und kann ggf. an mir arbeiten. Außerdem kann ich meinem Spielpartner bei der Szene in die Augen sehen, statt auf einen Monitor.

Bitte rettet die Castingkultur!